Von Zeit zu Zeit beschleicht mich das Gefühl, dass wir noch nie so einsam waren wie heute. Wieso? Weil die ganze Welt kommuniziert. Aber keiner hört zu.Das Wort „Kommunikation“ bzw. „kommunizieren“ wird heute für alles und jedes gebraucht, was wir von uns geben, was wir anderen vor den Kopf knallen oder in die Welt hinausposaunen.Woher kommt das Wort eigentlich? Laut Duden stammt der Ausdruck aus dem Lateinischen communicatio, die Mitteilung, die Unterredung.Aha! Heisst also, dass damit eher ein Austausch von Informationen gemeint ist. Was meint man denn mit „wir kommunizieren (nicht mehr) miteinander“? Oder was bitteschön geschieht in einem Kommunikationstraining? Laut Duden erlernt und übt man da mit anderen Menschen zu kommunizieren, umzugehen.
Wer hört mir zu? Was ist gefragt?Umgehen wohl eher nicht. Denn ehrlich, wenn wir lernen würden miteinander umzugehen, dann müssten wir ja zuallererst lernen einander zuzuhören! Und das können, wollen bzw. tun heute die aller wenigsten. Wir sind mitteilsam wie noch nie in der Menschheitsgeschichte. Alle haben das Gefühl auf irgendeinem Kanal irgendetwas Wichtiges von sich geben zu müssen. Ob dabei jemand zuhört oder nicht ist in den meisten Fällen irrelevant. Dabei ist zuhören gerade in der Geschäftswelt eine Disziplin, die sich ausserordentlich lohnt.
Viele Firmen sind stolz darauf, dass sie mit ihren Kunden kommunizieren. Gemeint ist dann vielfach die Tatsache, dass man weiss, wer die Kunden sind, sie mittels beliebiger Kommunikationskanälen mit mehr oder weniger interessanten Informationen eindeckt und gut ist’s. Die wenigsten Unternehmen hören ihren Kunden zu, sind an den Bedürfnissen ihrer Kunden interessiert, nehmen sie auf und setzen sie um. Probieren Sie es einmal aus und Sie werden überrascht sein. Wenn Sie die richtigen Fragen stellen und den Kunden zuhören, so werden Sie feststellen, dass diese Ihnen helfen können Ihr Geschäft weiter zu entwickeln.
Quatschen verhindert MissverständnisseFirmen unterliegen auch oft der Versuchung den zwischenmenschlichen Umgang im Unternehmen als Prozess zu apostrophieren und mit Kommunikation zu etikettieren. So werden Mitarbeitende, bei denen man das Gefühl hat, sie können es nicht so recht mit den Vorgesetzten bzw. den Untergebenen, in teure Kommunikationstrainings geschickt. Dort lernen sie dann Feedback zu geben, das Ganze in Ich-Botschaften zu verpacken und jede sprachliche Interaktion mit Mitarbeitenden gendergerecht und politically correct zu formulieren. Dabei: Wir haben einfach verlernt im Berufsalltag normal miteinander zu sprechen und uns zuzuhören. Da werden hunderte von E-Mails im selben Bürogebäude ja bis zu einer Minimaldistanz von 1-2 Bürotüren hin und her geschickt. Himmel! Steht einfach auf, geht mal eine Tür weiter, schaut dem/der Mitarbeitenden in die Augen und bequatscht das Ganze mal! Jede Wette, mehr als die Hälfte aller Missverständnisse, die dann wieder eine Riesenmenge an E-Mails zur Folge haben, sind grad mal weg.
Ganz heiter wird es ja jeweils, wenn der Belegschaft eine Umorganisation oder ein Abbau an Mitarbeitenden kommuniziert werden soll. Auch Entlassungen werden kommuniziert. Schmeisst man jemanden raus, dann hat das Wort seine Berechtigung; einseitige Mitteilung ohne Quittung (Militärjargon). Man wird aber keinen Deut sozialverträglicher oder humaner, wenn man den Betroffenen schlechte Nachrichten an den Kopf schmeisst, ihnen den Antwortbogen mit den häufigsten Fragen rüberschiebt und sie dann wieder aus dem Meetingraum komplimentiert. Ja, man hat es kommuniziert, mehr nicht.Aber vielleicht muss das so sein; dass wir nur noch kommunizieren. Denn bereits heute und in naher Zukunft noch viel mehr werden im Zuge der Industrie 4.0 auch Dinge miteinander kommunizieren. Der Kühlschrank mit dem Supermarkt der mit dem Jogurt-Produzenten, der mit dem Lastwagen des Spediteurs und der wiederum mit dem E-Shoppingfach im Hauseingang meiner Wohnung. Gut nur, dass mein Magen noch nicht direkt mit dem Kühlschrank kommuniziert, denn ich esse fürs Leben gerne Jogurt…
Die Welt ist nicht schlechter geworden; wir haben nur ein besseres Kommunikationsnetz.Frank McKinney Hubbard (1868 – 1930)Wieso ich um die Kommunikation so ein Aufhebens mache? Weil niemand mehr zuhört. Keiner nimmt sich mehr die Zeit zuzuhören, zuhören was andere zu sagen haben, geschweige darauf einzugehen. So verlieren wir einander. Wir tauschen zwar Informationen untereinander (wir tauschen sie nicht aus), produzieren uns selbst. Ein Gefühl füreinander haben wir jedoch nicht.Sprecht wieder miteinander – hört einander zu!
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