50+, gut qualifiziert, eine Unmenge an Erfahrung, Energie ohne Ende … und ohne Job. Wissen Sie, wie sich das anfühlt? Ich weiss es. Ziemlich beschissen! Die Aussichten? Zappen duster. Und wieso das?
Karriere ist out – Laufbahnkurve ist in Es gibt eine Reihe von Gründen. Als Erstes können grosse Firmen (noch) nicht mit Laufbahnen umgehen. Karriere, das ist in ihrem Denken, Handeln und Planen das Mass der Dinge. Unsere Väter sind mit 55 bis 60 Jahren in den Zenit ihrer Karriere gekommen, waren dann noch 5 bis 10 Jahre tätig, wurden pensioniert und gut war’s. Heute kommt man bereits mit 40, 45 Jahren in hohe Positionen. Nun ist es in Karriereplanungen nicht vorgesehen, dass man 20 Jahre in einer derartigen Position bleibt. Ein „horizontaler“ Stellenwechsel ist ausserordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich, da diese hoch dotierten Stellen nicht gerade auf Bäumen wachsen. Auch rechnet keiner damit, dass eine 50+ Arbeitskraft vielleicht mit einem anderen, weniger hoch eingestuften Job zufrieden sein könnte. Und man traut es ihr oft auch nicht zu. Also was tun? Und hier kommt der zweite Grund für diese Misere ins Spiel: Wir haben eine Menge guter Manager, jedoch sehr wenige Führungspersönlichkeiten. Engagierte Führungspersönlichkeiten würden sich um diese Mitarbeitenden kümmern. Der Manager entledigt sich dieses Problems. Damit hat er einerseits potenzielle Unruhe aus der Firma raus, andererseits den teuren Mitarbeitenden entsorgt. Das Dumme ist nur, dass aus genau diesen Gründen der Stellensuchende 50+ nicht wieder in eine Firma hineinfindet. Denn in der Wahrnehmung der Firmen ist er immer noch zu teuer und nicht bereit, eine weniger hoch eingereihte Position bzw. Aufgabe zu übernehmen. So jedenfalls denken viele jüngere Manager. Stimmt nicht!
50+ – das unbekannte Wesen Viele erfahrene, gut qualifizierte Arbeitnehmende haben das mit der Karriere gehabt, genossen und gesehen. Heisst, sie haben es nicht mehr nötig und würden lieber lediglich ihr Wissen und ihre Erfahrung in eine interessante Aufgabe einbringen. Stur sind sie auch nicht. Ich habe sehr viele Arbeitssuchende 50+ erlebt, die weniger hoch dotierte Positionen zu etwas weniger Lohn nehmen würden. Denn die Kinder sind draussen, die Work-Life-Balance hat eine andere Bedeutung als zu Beginn des Arbeitslebens und der Anreiz der Aufgabe rückt in den Mittelpunkt. Übrigens, nicht unähnlich der Generation Y (aber dazu mehr in einem anderen Blog). Was also ist die Lösung? Es gibt sicher keine Ideallösung. Es wäre aber schon viel getan, wenn sich die Firmen mal überlegen würden, was sie den 50+ Mitarbeitenden, die vielleicht keine Karriere mehr machen wollen, bieten können. Ein erster Schritt wäre, wenn wir nicht mehr von Karrieren sprechen, sondern über Laufbahnkurven nachdenken würden. Dann „müssten“ sich die Manager nicht dieser wertvollen Arbeitskräfte entledigen und könnten weiterhin von diesem Asset profitieren. Denn mal ehrlich und für all jene, die es vergessen haben sollten: Auch Know-how hat im Shareholder-Management seinen Wert.
Wieso schreib ich das alles? Aus zweierlei Gründen: 1. Weil ich Stellensuchende 50+ coache und im RAV Mentoring Programm des Kantons Zürich mitarbeite. Weil ich da erlebe, wie gerne diese Personen ihr Wissen, ihre Energie, ihre Leidenschaft für eine Sache einer Firma zur Verfügung stellen würden. Weil ich sehe, wie flexibel und aufgeschlossen diese gut qualifizierten Arbeitssuchenden sind. Und weil ich sehe, mit welcher Geringschätzung viele von ihnen behandelt werden. Für alle zum Mitschreiben: 50+ ist keine Krankheit! 2. Weil ich aus eigener Erfahrung schreibe. Ich habe das alles durchlaufen. Ich bin mit knapp 50 Jahren ohne Angabe von Gründen entlassen worden; gut qualifiziert, langjährige, profunde Erfahrung, auf Arbeitssuche. Auch mir hat man nicht geglaubt, dass ich einen niedriger qualifizierten Job gerne annehmen würde, meine Laufbahn nicht nur nach oben zeigen muss. Und manchmal hatte man auch schlicht Angst vor mir, weil der potenzielle Vorgesetzte nicht wusste, wie mit einer etwas gestandenen Persönlichkeit umzugehen wäre.
Noch ein „letzter“ Gedanke Hat sich bei Ihnen in der Firma in der Personalabteilung schon mal jemand überlegt, wie Sie die nächsten fünf Jahre personal technisch gestalten wollen? Fakt ist, dass in den nächsten fünf Jahren zirka 1 Million Babyboomer pensioniert werden, jedoch nur 500’000 Generation Y und Z nachkommen. Vielleicht lohnt es sich auch bei Ihnen über den Wert der 50+ Mitarbeitenden mal ernsthaft nachzudenken.
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